Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Hier könnt Ihr über alles diskutieren (und auch mal Dampf ablassen), was mit dem Thema Kunst zu tun hat.

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Midge
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Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Midge »

Ich habe nun bereits zum zweiten Mal eine Auftragsarbeit für eine Freundin (es waren zwei verschiedene) gemacht und bin nun zu dem Schluss gekommen, dass ich das nicht mehr machen möchte. Nicht, wenn Geld dabei ins Spiel kommt.

Nicht falsch verstehen: meine Freunde bedeuten mir viel und ich habe (und werde auch wieder) Bilder von mir verschenken, wenn ich sehe, dass ein Freund total von einem meiner Bilder hin und weg ist. Ich mache das gerne, weil ich weiß, dass die Bilder dann in guten Händen sind und gewertschätzt werden.

Leider haben die meisten meiner Freunde keine Ahnung von Kunst und auch nicht vom Malen selbst - genauso wie viele andere Menschen, die zu meinen Ausstellungen kommen. Sie wissen nicht, wie viel Aufwand, Kopfarbeit und Zeit es oftmals kostet, ein vermeintlich banales Bild zu malen - genauso viel Zeit übrigens, wie man für Büroarbeiten auch braucht (und dafür bekommt man als Fachangestellter ja auch Geld). Der Tenor geht in Richtung "Malen - ach das kann doch jedes Kind!" und die Bereitschaft, dafür auch noch Geld auszugeben, ist eher niedrig. Dass auch zeitgenössische Aquarelle bei Profis, Sammlern und Galeristen hoch gehandelt werden, entzieht sich ihnen komplett.

Meine Erfahrung, die ich jetzt gerade bei der zweiten Freundschafts-Auftragsmalerei gemacht habe: Wenn es um Geld geht, hört die Freundschaft leider auf. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen, weil ich einem Freund Geld für eine Gefälligkeit abnehme - Geld, das ich von jedem anderen Menschen jedoch ohne schlechtes Gewissen verlange, weil ich dafür ja auch eine Leistung erbringe (Einsatz von Zeit und Materialkosten). Und der Freund, der sich das Bild gewünscht hat, ist total überrumpelt davon, dass er 100 € für ein Bild zahlen soll, für das ich normalerweise mehr als das Doppelte verlange (bei Ausstellungen). Leider sehe ich immer wieder, dass Menschen für so etwas vermeindlich Banales wie ein gemaltes Bild keinen Cent zuviel ausgeben möchten. Es ist genauso Handwerk wie eine getöpferte Tasse, die ebenfalls bemalt ist und für die jeder auch das Geld ausgeben wird. Offensichtlich macht das Papier jedoch den Unterschied. Würde ich auf Leinwand malen und in Öl, sähe die Sache schon anders aus, aber auch hier: wenn ich Geld dafür verlange, weil ich den Auftrag von einem Freund bekommen habe (der explizit gesagt hat, dass er mich bezahlen will), komme ich in die Bredouille. Wie viel soll ich jetzt dafür nehmen? Soviel, wie die Galeristen-Formel es vorgibt? Oder die Hälfte, weil es ja ein Freund ist - ein Freundschaftspreis also? Oder soll ich am Ende doch sagen, ich schenke es ihm?

Ich habe mich dazu entschlossen, das Bild nun für einen Bruchteil dessen, was ich eigentlich dafür nehmen würde, herzugegeben. Die Versandkosten muss ich davon auch noch abziehen, es ist also nicht wirklich viel, was übrig bleibt - eigentlich ist es nun wirklich geschenkt. Einfach, weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, meiner Freundin Geld abzunehmen. Aber wirklich wohl fühle ich mich bei der Sache immer noch nicht. Ich bin sehr zwiegespalten. Ich verschenke gerne etwas von mir, aber dann, wenn ich es möchte und genau das, was ich selbst möchte. Möchte ein Freund von mir etwas Spezielles haben, das für mich Aufwand bedeutet, möchte ich eigentlich immer noch selbst entscheiden, ob ich ihm das geben will und ob ich im Gegenzug vielleicht auch einen Gefallen von ihm erwarte (wie auch immer der geartet sein soll).

Mir stellt sich die Frage, wie selbstlos soll ich sein? Ich helfe gerne und bin auch gerne selbstlos, wenn ich sehe, dass Not am Mann ist. Aber im Prinzip ist das ähnlich wie mit einem Klemptner oder Computertechniker im Freundeskreis: er hat eine spezielle Fähigkeit, die jeder irgendwann mal braucht. Also fragt man ihn, ob er helfen kann. Ich möchte nicht, dass er seine Fähigkeiten für mich kostenlos einsetzt. Also gebe ich ihm soviel Geld, das meiner Meinung nach angemessen erscheint für diese professionelle Gefälligkeit (man kennt die Preise für sowas ja oder kann es in Erfahrung bringen). Will er es nicht annehmen, schenke ich ihm einen Gutschein für sein Lieblingsgeschäft und lade ihn in ein nobles Restaurant ein. Oder ich weiß, dass er meine spezielle Fähigkeit demnächst benötigt und biete ihm im Gegenzug meine Hilfe an.

Aber warum ist das bei Kunst anders? Wieso fühlt es sich hier anders an? Obwohl das Herstellen von Kunst und Kunsthandwerk für sehr viele Menschen inzwischen auch Lebensunterhalt ist?

Die Diskussion ist eröffnet. Ich bin auf Eure Meinungen gespannt.
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GoldSeven
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von GoldSeven »

Oh Mann, ja. Ein extrem schweres und undankbares Thema.

Dass Dinge auf Papier weniger wert sind als "Gemälde in Essig und Öl" (wie mein Vater es nennt), ist sicherlich eine Crux unseres Lieblingsmediums.

Einerseits ist es bei mir erträglich, weil mein kompletter Freundes- und Familienkreis und große Teile meines Bekanntenkreises wissen, dass ich mit meiner Kunst ebensoviel Geld verdiene wie als Lehrerin. Das heißt, denen ist klar, dass sie kein 5-Stunden-Bild für eine Packung Merci abräumen können. Wenn jeder weiß, dass du mit dem, was andere für einen Freundchaftsdienst halten, deinen Lebensunterhalt bestreitest und anderen zahlenden Kunden für die gleiche Arbeit 500 Euro berechnest, dann wissen die, dass ein Wochenlohn dabei draufgeht, wenn du es unbezahlt machst. Das ist das, was einfach jedem klar sein muss.

Schwerer ist es natürlich, wenn Freunde und Bekannte dich wirklich nur als Hobbyisten wahrnehmen. Ich denke, da muss man einfach aufklären.

Ich habe vor einigen Jahren eine klare Grenze gezogen: Ich arbeite nicht für Freunde und Bekannte. Geburtstagsgeschenke gibt's immer wieder mal in gemalter Form (und die werden glücklicherweise auch gebührend gewürdigt), aber ich mache keine "Aufträge" mehr.

Einzige Ausnahme ist in der Schule - da zeichne ich immer wieder mal für Kollegen etwas, das sie im Unterricht verwenden wollten. Das darf nicht länger dauern als ein paar Minuten - wenn es aufwändiger wird, sage ich nein - und bezahlt werde ich in Toffifee. :grinblue: Ein Kollege, der leider nicht mehr da ist, war da immer ganz besonders lustig. "Jenny, heute, dritte Stunde. Ein Monster mit blauen Punkten, das einen Weihnachtsbaum frisst. Hab gesehen, du hast gleich ne Freistunde. Hier ist schon mal ne Packung Kinderriegel. Schaffst du das?"

Es gibt einige absolut geniale Cartoons und Sketche zum Thema. Ich sammel die Dinger. :lolfloor:
anfrage-gratis.jpg
not-again.jpg
hunter-gatherer.jpg
Einer meiner Lieblingssketche von "Foil Arms and Hog" illustriert das Problem absolut brilliant. (Falls wer im Englischen/Irischen nicht so firm ist: Der Typ links hat einen Klempter gerufen und will ihn nun mit "exposure", also Publicity bezahlen, weil er dadurch sicher noch viele neue Aufträge bekommt. "Most of my friends have toilets!")
https://www.youtube.com/watch?v=27EukoQrVMU
Dateianhänge
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Midge (Do 7. Feb 2019, 11:20)
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ThomasB
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von ThomasB »

Hallo zusammen,

ich finde das Thema weder schwierig und auch nicht undankbar. Es ist sogar sehr sehr einfach.
Das Prinzip ist wie in der normalen Geschäftswelt. Angebot und Nachfrage. Möchte ich etwas haben, muss ich dafür bezahlen. Ganz einfach.
GUTE Freunde verstehen das auch !
Ich bezahle meinen Bekannten auch (Heizungsinstallateur) wenn er meine Heizung wartet oder repariert.


Dennoch kann ich die Gedankengänge von Midge bestens nachvollziehen. Als Beispiel kann ich da auch etwas nennen. Zu uns kam mal eine gute Bekannte zu Besuch. Ich war grade am malen. Sie schaute mir über die Schulter und war mir schon zu überschwänglich und Lobte zuviel des guten. Mir war das schon fast peinlich, weil ich meine Fähigkeiten sehr genau einschätzen kann und alles andere als der große Profimaler bin. Dann plötzlich fragte sie ob ich ihre beiden Hunde einmal malen würde. Da sie mich offensichtlich höher wie Picasso und van Gogh einstufte erklärte ich mich bereit Ich erklärte ihr jedoch dass sie noch etwas warten müsse, da ich erst Farbe bestellen müsste, und diese sehr teuer wäre. Da machte es wohl "klick" und zögerlich fragte sie was ich dafür haben möchte. Meine Antwort war knapp und übertrieben. Ich sagte lediglich dass ich normal für ein Bild dieser Art ca. 600 Euro nehmen würde, aber weil sie ja eine so gute Bekannte ist, würde sie es für 400 Euro bekommen. Natürlich war das alles quatsch und übertrieben, aber das Thema war schnell erledigt.

Mir gehen diese Menschen total auf den Wecker, auch wenn sie noch so gute Freunde sind. Kunst und Handarbeit im allgemeinen wird nicht bezahlt, aber im Gegenzug wirft man die Kohle für Mist aus dem Fenster.
Meine Frau näht wundervolle Kosmetiktaschen und Kulturbeutel und strickt aus bester Wolle Socken. Ein paar handgestrickte Socken für 5,00 Euro ist den sogenannten Freunden schon zu viel.
Aber das ist ok denn für diese Menschen gibt es überdurchschnittliche viele 1,00 Euro Märkte. Viel Spass beim Tragen dieser Artikel kann ich da nur sagen. Und für Bilder gibt es bei jedem Ramschladen Fotodrucke für unter 5 Euro. Das schmückt die Bude des unwissenden völlig ausreichend.

Fazit: Ich verkaufe keine Bilder an Freunde und Bekannte! Alleine schon aus dem Grund weil man am Ende doch durch den Kakao gezogen wird. Diese Freunde bekommen Besuch von anderen unwissenden und dann geht es los. Am Ende steht man noch als "Abzocker" da. Nein Danke!
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Midge (Do 7. Feb 2019, 11:20)
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Julchen
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Julchen »

Eine chinesische Geschichte:

Ein Kunstliebhaber kommt zu einem chinesischen Maler und fragt ihn, ob er denn einen Hahn für Ihn malen könnte. Der Maler sagte: Na klar, sie bezahlen 1000.-. Die Hälfte jetzt und die andere Hälfte wenn sie das Bild abholen.Wunderbar, freute sich der Kunstliebhaber, und bezahlte die erste Hälfte.
Nach 6Monaten kam der Kunde vorbei, und fragte, wie es denn um das Bild steht. Der Maler antwortete: Es ist noch nicht fertig, kommen Sie später vorbei.
Es vergehen weitere Monate. jedesmal, wenn der künde vorbeikam, wurde er vertröstet.
Nach 10 Jahren besuchte der Kunstliebhaber den Maler wieder, und fragte verärgert nach dem Hahn.
der maler sagte: Warten Sie einen Moment. Er holte Papier und Pinsel, und malte in 10 Minuten den schönsten Hahn, den man sich vorstellen kann!
Der Kunde rief verärgert: Wie soll ich das denn nun verstehen!? 10 Jahre lassen sie mich warten, und nun malen Sie in 10 Minuten den Hahn. Und dann soll ich insgesamt 1000.- bezahlen??!!!
Der Maler antwortete ruhig: Ja, mein Herr. Ich habe 10 Jahre geübt, um zu diesem wunderbaren Ergebnis zu kommen. :freuen:


herzlich, Julchen
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Midge (Do 7. Feb 2019, 11:21) • GoldSeven (Do 7. Feb 2019, 11:25)
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Midge
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Midge »

Danke schon mal für Eure Kommentare.

Ich bin beruhigt, dass Ihr mein Dilemma versteht und offensichtlich auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht habt. Vielleicht sollte ich mein Licht nicht zu sehr unter den Scheffel stellen und einfach zu dem stehen, was ich kann und tue.

Julchen: Diese Weisheit ist genau der Punkt! Vor 25 Jahren, als ich meine Malerei mehr als reines Hobby für mich selbst betrachtet habe und damit an die Öffentlichkeit gegangen bin mit Ausstellungen und so, hätte ich meine Bilder sicher nicht für meine heutigen Preise angeboten (hab ich auch nicht). Aber mit jedem Bild wächst mal und lernt dazu, die eigenen Fähigkeiten erweitern sich, das Gespür für bestimmte Motive und für sein Material wächst. Man wird ganz von selbst Profi. Es ist im Prinzip eine ganze Lebenserfahrung, die in jedem neuen Bild, das man malt, steckt. Andreas Mattern hat das auch mal treffend formuliert: Er sagt, wenn ihn jemand fragt, wie lange er an einem Bild malt, "Mein ganzes Leben lang!". Und genauso ist es. Das Thema der Preisfindung ist also viel komplexer in der Kunst als in vielen anderen Jobs - obwohl auch in den meisten anderen Jobs mit steigender Erfahrung (und höherem Lebensalter) die Qualität der Arbeit sicherlich steigt, weil auch hier ja die Kurve der Fähigkeiten nach oben geht.

Ich glaube auch, dass in der heutigen Zeit Werte im wahrsten Sinne des Wortes "keinen Wert" mehr haben. Die Leute haben verlernt, Qualität zu schätzen, weil sie nur auf billig, billig, billig aus sind. Dass man an einer Sache aber viel mehr Freude haben kann und sie länger nutzen kann, wenn sie sorgfältig und mit viel Erfahrung hergestellt wurde, das geht ihnen komplett ab. Man wirft halt auch eine 50 Cent Tasse schneller mal einfach weg, weil sie einem nicht mehr gefällt als eine Tasse für 30€. Es tut nicht so weh. Und das ist sie wieder, unsere moderne Wegwerf-Gesellschaft...

Zur Verteidigung meines Freundeskreises muss ich jedoch auch sagen, dass einige dabei sind, die durchaus wertschätzen, was ich als Künstlerin so mache. :grinblue: Man bekommt dann z.B. bewundernde Blicke, wenn man erzählt, dass man Bilder für Whisky-Labels gemalt hat. Dafür habe ich nämlich auch Geld bekommen, ganz regulär und es wurde nicht über den Preis diskutiert oder gehandelt. Andere Profis akzeptieren nämlich, dass ich hier einen ganz normalen Job mache. Einen Grafiker, den man für die Erstellung seiner Internetseite engagiert oder der einen die Visitenkarten oder ein Logo kreiert, bezahlt man ja auch. Nichts anderes ist das hier.

Trotzdem - Aufträge von Freunden werde ich nicht mehr annehmen. Nicht für direkte Bezahlung jedenfalls. Wenn es um "eine Hand wäscht die andere" geht, sieht die Sache anders aus, da lasse ich gerne mit mir handeln. :augenbrauenheben: :rollgrin:
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Siggi »

ich stehe genau neben dir mit meinen Erfahrungen. Verkaufe nicht mehr an Freunde, Bekannte. Aber auch mit Tauschgeschäfte habe ich einiges erlebt, z.B. eine Verwandte bastelt Ketten und schenke mir einige. Als Dank zeigte ich ihr Aquarelle in großem Format und sagte, sie solle sich eines! aussuchen und dann kam, das und das behalte ich auch?! Ich war so perplex und habe nur gedacht, aha, so werden meine Werke eingeschätzt? Handarbeit, selbstgemacht, hat ja nichts gekostet?!
"Blumen sind das Lächeln der Erde"

Malerische Grüße
Siggi
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Julchen »

Mir fällt noch eine hübsche Geschichte zum Thema Rabatt und Billiger verkaufen etc...ein.
Es ist eine argentinische Geschichte.

Ein Messergriffschnitzer machte regelmässig seine Runde von Haustür zu Haustür, um seine kunstvoll geschnitzten Griffe für die diversesten Messer zu verkaufen. In liebevoller Handarbeit schnitzte und ritzte er aus den verschiedensten Materialien , die er im Wald und an Stränden sammelte, die schönsten Griffe.
Als er eines Tages am Strand seine verkaufsrunde machte, traf er auf einen Geschäftsherrn aus Europa. Dieser Herr fragte, was denn so ein Griff mittlerer Grösse kostet.
Der Schnitzer antwortete: 5.-Euro
Der Herr sagte: Könnten Sie mir 200 Griffe schnitzen?
Der Schnitzer erwiderte: Das könnte ich theoretisch machen.
Der Herr : Und was würde das kosten?
Der Schnitzer: Sie müssen das doppelte pro Griff bezahlen.
Der Herr aufgebracht: Was?! Wenn ich doch 200 Griffe bei Ihnen kaufe, dann müssten Sie mir die Griffe doch um die Hälfte billiger geben!!
Der Schnitzer antwortete ganz ruhig: Schauen Sie, verehrter Herr. Wenn ich Ihren Auftrag annehme, dann bin ich für ganz lange Zeit beschäftigt, nur für Sie zu schnitzen. Ich habe keine Zeit mehr um Material zu sammeln und muss jemanden beauftragen. Der muss dann bezahlt werden. Ich habe keine Zeit mehr für meine Familie, und muss eine Hilfe einstellen , welche nicht umsonst kommt, um mit meinen Kindern Hausaufgaben zu machen. Ich habe keine Zeit mehr, meine Stammkunden zu bedienen. Die werden die Griffe wo anders kaufen in dieser Zeit, und das wäre dann ein herber Verlust. Also muss ich Ihnen das doppelte verrechnen, mein Herr.
Der Geschäftsherr schimpfte noch eine Weile vor sich hin, während der Schnitzer sich bückte und ein Stück Schwemmholz fand. Fröhlich ging er nach Hause.

Herzlich, Julchen
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Siggi (Fr 8. Feb 2019, 16:08)
Es isch wiäs isch...sälbscht wenn de Muni frisst en Fisch... (Julchen)
ThomasB
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von ThomasB »

Hallo Julchen,

eine sehr schöne Geschichte die man gerne liest.
Hier erkennt man mal wieder ganz klar dass alles auf die Sichtweise des erklärenden ankommt.
Jede Medallie hat halt 2 Seiten.
Wenn alle Menschen Gedanklich an dem Punkt des Schnitzers angekommen sind, erst dann gibt es wieder Hoffnung dass die Welt wieder normal Tickt.
:dankeschön:
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Julchen (Fr 8. Feb 2019, 22:07)
Raimund
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von Raimund »

Hallo Midge ,

Das selbe kenne ich auch von früher. Am besten ist Vorher zu sagen was es kostet und zu erklären warum es das kostet. Wenn sie dich dann für deine Arbeit nicht wertschätzen, dann ist das auch nicht dein problem.
So kommt es erst garnicht zu solchen Problemen.

Die meisten sind nicht bereit viel Geld auszugeben, es gibt aber auch welche die es tun ohne muh und mäh. Als ich angefangen habe zu zeichen habe ich so 50 Euro genommen und das war gerade noch okay für die meisten. Irgendwann habe ich mir dann gedacht hockst 8 Stunden an so einem Bild oder mehr und bekommst 50 Euro das ist für mich auf Emotionaler sicht nicht wirklich gut. Sich unter seinem Wert verkaufen fühlt sich einfach nicht gut an und die leute würde es ja selber auch nicht tun wieso sollte man es dann selber machen.

Ich habe dann beschlossen 150 -200 Euro zu nehmen und siehe da das wurde auch bezahlt. Später habe ich dann 300 Euro verlangt wenn ich ne Arbeit hatte wo ich 20 Stunden gebraucht habe. Aber als selbstädniger rechnet sich das einfach nicht und habe dann 500 bis 1000 Euro genommen und das habe ich ebenfals bekommen.

Je mehr es kostet um so weniger Kundschaft hast in der Regel aber es dann auch die Leute die es Wertschätzen. Das problem der Kunst ist halt das sie eingebettet ist im Kapitalismuss.

Wenn du kein Bekannter Künstler bist hast du einfach schlechte karten, weil deine Kunst im laufe der Zeit keine mehrwert dazu bekommt. Das ist zwar traurig aber leider die Warheit in diesem System. Man braucht auch nicht zwingend ein Gemälde, aber was zum essen,trinken und ein dacht über den Kopf.

Lg Raimund
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Julchen (Fr 8. Feb 2019, 22:07)
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GoldSeven
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Re: Kunstverkauf an Freunde - delikates Thema

Beitrag von GoldSeven »

Tolle Geschichte, Julia - grade das mit dem Mengenrabatt ist etwas, was Nicht-Kreative oft nicht verstehen. Man bekommt fast alles im Dutzend billiger, aber das liegt natürlich daran, dass Massenproduktion günstiger ist als Einzelmanufaktur.

Ob ich aber für ein Buch eine Illu mache oder 50 - die Illus werden für mich weder leichter noch schneller noch billiger. Dann hört man oft, "Aber ich kann mir das nicht leisten, mal 50! Da musst du mir doch entgegenkommen!" - Das ist das Problem... deswegen lassen Privatleute eben auch keine Bücher illustrieren. Wenn ein Verlag dahintersteht, dann kann der sich das leisten.

Aber leider denken zu viele hoffnungsvolle Jungautoren, sie können einem hoffnungsvollen Jungillustrator 200 Euro in die Hand drücken, damit er ihnen 20 Seiten für ihr Bilderbuch illustriert... Das ist doch keine Arbeit, das ist doch Spaß! Und bringt Erfahrung! Fürs Portfolio! Und überhaupt, immer der schnöde Mammon!!!11

Raimund, ich stimme dir zu. Ich habe auch lange gebraucht, bis ich mich getraut habe, branchenüblige Preise für meine Bilder zu nehmen. Schwer ist es, wenn man in Communities unterwegs ist, in denen jede Menge Leute für Dumpingpreise zeichnen. Aber irgendwann habe ich auch gemerkt, dass ich deutlich mehr verlangen kann als die deviantArt-üblichen 50 Euro pro Bild, und die Leute haben's gezahlt.

Einmal hatte ich ein Erlebnis, über das ich lange nachgedacht habe. Ich bekam eine Anfrage - ich meine, aus Russland - und nannte meinen Preis. Der andere war völlig entsetzt, und sagte, das könnte ich nicht verlangen, das sei für ihn ein Monatsgehalt. Ich fühlte mich zwar schlecht, blieb aber dabei, und bot etwas kleineres in Bleistift an statt Aquarell. Erst später fiel mir ein, was ich hätte sagen sollen - klar ist es unfair, dass jemand aus den USA sich eins meiner Bilder eher leisten kann als jemand aus Russland. Aber ich muss halt hier in Deutschland davon leben, wo ein Brot 3 Euro kostet und keine 50 Cent...
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Raimund (Fr 8. Feb 2019, 17:27) • Julchen (Fr 8. Feb 2019, 22:06)
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